Die Inszenierung der Macht
Gewalt im Lager
„Noch schlimmer war es jedoch, als unser Lagerältester, der geisteskranke Georg, Amok lief. Eines Nachts habe ich gesehen, wie er eine Bettlatte auf dem Kopf eines Häftlings zersplittern ließ und danach seinen Gummiknüppel ergriff und damit das Gesicht des Mannes bearbeitete, bis er es in eine einzige blutige Masse verwandelt hatte.“
Gewalt im Lager
Gewalt war in den drei Außenlagern des KZ Neuengamme an der Porta Westfalica alltäglich. Verantwortlich dafür war die Lager-SS unter dem Standortkommandanten Hermann Wicklein. Aber auch zur Bewachung eingesetzte Soldaten und Zivilisten wurden zu Tätern. Die SS setzte im Lager sogenannte Kapos ein. Das waren Funktionshäftlinge, die die Kontrolle über die Gefangenen gewährleisten sollten. An der Spitze der Hierarchie der Funktionshäftlinge standen die Lagerältesten. Sie waren sowohl in Barkhausen wie auch in Lerbeck berüchtigt für ihre Gewaltexzesse.
Eine ständige Gewaltausübung gegenüber den Häftlingen geschah bereits durch die unmenschlichen Lebensbedingungen im Lager. Es mangelte permanent an der Lebensmittelversorgung, an Waschmöglichkeiten, an Kleidung und auch an allen anderen lebenswichtigen Dingen. Hinzu kam ein ständiger psychischer Druck, der durch Rituale wie die Lagerappelle und den andauernd geschrienen Kommandoton gegenüber den Häftlingen verstärkt wurde.
Als Machtinstrument wurde die Gewalt gegenüber den Häftlingen oft bewusst inszeniert. Für vermeintliche Vergehen im Lager oder auf den Baustellen, wie beispielsweise eine Minderleistung oder „falsches“ Grüßen, wurden Prügelstrafen verhängt. Diese wurden im Lager auf Befehl der SS von den Funktionshäftlingen vor der versammelten Häftlingsgesellschaft durchgeführt. Häftlinge, die versuchten zu fliehen und auf der Flucht ergriffen wurden, wurden im Saal des Hotels Kaiserhof an einem improvisierten Galgen erhängt.
Darüber hinaus setzte sich die körperliche Gewalt auch im Lageralltag und auf den Baustellen fort. Tritte und Schläge mit bloßen Händen oder Gegenständen wurden sowohl von Wachleuten wie auch von Zivilarbeitern und Funktionshäftlingen zum Antreiben der oft schon entkräfteten Häftlinge eingesetzt.